inscape - Zwischen den Zeiten Ausgabe 27

Newsletter Ausgabe 27

Liebe Freund:innen, Interessent:innen, Kund:innen von inscape,
 
das Gefühl von Krise greift abermals um sich, im Unternehmensbereich und darüber hinaus. Viele Unternehmen führen wieder klassische Restrukturierung durch, um effizienter zu wirtschaften und um Kosten einzusparen. Auch die autoritäre Führung scheint wieder zuzunehmen - wenngleich sie nach Studien von Carsten Schermuly sowieso immer noch erstaunlich stark verbreitet war, aktuell allerdings
wieder mehr Gehör findet. Insgesamt wird über Ergebnisorientierung und Leistung diskutiert, ohne dass oft wirklich klar wird, was denn unter Leistung verstanden wird.
 
So titelte die Handelszeitung vor kurzem: „Mehr Leistung, weniger Wohlfühlkultur“ und Bilanz.ch machte auf mit der Schlagzeile „Mehr Work, weniger Woke“. Als Folge wird die Unternehmenskultur zur Wohlfühlfaktor degradiert und dabei komplett unterschätzt. Unter Umständen befinden wir uns zurzeit tatsächlich in einer besondere Situation, erzwungen vom tiefgreifenden Wandel, den Digitalisierung, KI und Klimawandel mit sich bringen. Eine Situation, in der Ansätze von Effizienzbemühung und Organisationsentwicklung parallel laufen sollten, die jedoch 
laut der Wirtschaftspsychologin Vera Starker bisher eher in einem Entweder-oder-Verhältnis zueinander standen. Daher fragen wir uns in dieser Ausgabe wie eine alternative Herangehensweise zu den Sparaufforderungen und den allgegenwärtigen KI-Effizienzversprechen aussehen könnte.

Leistungskultur ist auch Beziehungskultur
 
Auch wenn diese Krise mit KI-Ängsten und dem Hybriddasein vieler Angestellter zwischen Home Office und verordneter Arbeitsplatzrückkehr eine neuartige ist, sind die Antworten im Moment meist die altbekannten.

Dabei geht es oft um Zahlen: Kosteneinsparung durch Personaleinsparungen bei zeitgleicher Betonung des Leistungsgedankens in Form von Belohnung der individuellen Leistung. In vielen Fällen sind diese gewohnten Strategien dabei Ausdruck von Panik der Führenden und lassen den Blick auf die Bedeutung von Personalarbeit außer Acht. Das Einzige, was diese Schnellschussreaktionen jedoch schaffen, ist nicht selten ein Ablenken von Fehlern des Managements.
 
Zwar stimmt es, Leistung ist das Rückgrat jeder Organisation. Allerdings entsteht Leistung bekanntermaßen nicht durch Druck, Boni oder KPIs – vor allem nicht langfristig. Vielmehr ist „Leistung an gute Beziehungen geknüpft“ wie die
Bildungswissenschaftlerin Gerda Hagenauer in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung sagte. Wer daher über Leistungskultur spricht, sollte auch über Beziehungskultur sprechen. Schließlich zeigen Metastudien seit Jahren, wie von Hans Rusinek dargelegt, dass wer einen guten Freund oder Freundin auf der Arbeit hat, meist wesentlich wahrscheinlicher auch engagiert ist und meist eine höhere Produktivität zeigt. Teams liefern in diesem Fall ebenfalls messbar bessere Ergebnisse, unter anderem was Profitabilität, Sicherheit und Retention angeht.
 
Doch statt auf diese vermeintlich weichen Faktoren zu bauen – und auch unsere Arbeit mit Teams zeigt im Moment übrigens ganz deutlich, wie wichtig Team-Rituale sind, wie wichtig eine Süßigkeiten- oder Obstschale sein kann, wie sich kurze Walk&Talks oder Lern-Tandems langfristig auszahlen ­– geht der Fokus an vielen Ecken auf die KI, ohne ihre Folgen mitzudenken. Dabei verändert Automatisierung gerade in vielen Bereichen stark den Arbeitsalltag und die Arbeitsmotivation.
 
So gibt es einige, die sich fragen: Welchen Einfluss habe ich noch? Was motiviert mich, wenn der Kontakt zu Kund:innen und Kolleg:innen weniger wird? Hören wir noch auf unsere eigene (Körper-)Intelligenz oder geben wir das Denken ab und resignieren? Ist die Technik das Problem, und können wir nichts tun? KI ist ohne Frage an vielen Stellen praktisch und doch befreit sie uns nicht wie erhofft von Routinen, vom Overload. Vielmehr führt sie durch ihre Schleifen oft zu noch mehr Arbeit. Statt zu überlegen, wie wir KI sinnvoller einsetzen können, was wir wo weglassen können und wie wir im sozialen Kontakt bleiben, geht es eben meistens um Personaleinsparungen.

Negative Folgen werden ignoriert
 
All das hinterlässt langfristige Spuren. Denn die Symptome, die sich bei den „Überlebenden“ solcher Maßnahmen zeigen, sind gravierend: Angst, Resignation, ein Gefühl von Ungerechtigkeit und der Verlust an Zustimmung und Loyalität. Es ist klar, hier fehlt die Perspektive auf die Langzeitwirkungen. Das lässt einen durchaus ratlos zurück: Gibt es wirklich keine andere Idee in vielen Unternehmen als Kostenreduzierung durch Personalreduzierung? Gibt es keinen anderen Weg, als den Druck auf die Einzelnen zu erhöhen, in der Hoffnung, dass sich ihre Leistung steigern möge? Stets von der Annahme begleitet, dass dies auch ein Ansporn für die sogenannten „Low Performer“ ist.
 
Es sind gerade diese vermeintlichen „Low Performer“, die als Ursache für die Krise angesehen und als Schuldige identifiziert werden, Schuldige derer man sich – soweit das möglich ist – entledigen muss. Dabei ließe sich vermutlich gerade an ihnen erkennen, wo die eigentlichen Themen und Probleme in der Organisation zu finden sind. So könnte man fragen: Was führt zur vermeintlichen Nichterbringung der Leistung? Welche Gefühle und Ursachen stecken wirklich hinter dem Verhalten? Wäre es nicht möglich, die Krise für ein Neudenken zu nutzen? Wäre es nicht gerade in einer solchen Situation angebracht, gemeinsam zu denken, sich neu zu erfinden?
 
Auch Axel Hacke hat das Krisenthema und den Umgang damit kürzlich in
seiner Kolumne in der Süddeutschen Zeitung aufgegriffen. Dort schrieb er: „Ich finde, man muss blind und taub sein, um nicht die Sehnsucht vieler – vor allem junger – Menschen nach einer neuen Verbundenheit miteinander zu spüren.“ Hacke stellt fest, dass viele von uns zu Isolierten geworden sind – ausgelöst durch die Technologie, das Wirtschaftssystem, die aus seiner Sicht asozialen Medien und das Homeoffice. Dabei ist der Mensch auch für Hacke ein Gemeinschaftswesen und er hält fest: „[Der Mensch] erträgt das nicht. Er will sich auf andere beziehen, sich mit ihnen streiten, mit ihnen zusammen etwas schaffen. Er will nicht bloß als jemand gesehen werden, der immerzu etwas haben will. Wir sind keine fleischgewordenen Portemonnaies. Wir wollen auch, dass man von uns etwas verlangt, nicht von uns allein, sondern von allen gemeinsam.“

Um das Neue ringen

Doch eine solche Verbundenheit entsteht nicht einfach durch ein „Back-to-office“. Denn diese Form von Kollektivstrafe für alle, verkennt dass ein Großteil der Angestellten die Vorteile der persönlichen Kontakte im Büro schätzt, sich die Flexibilität aber nicht mehr nehmen lassen will, wie eine amerikanische Studie zeigt. Doch auch hier braucht es eine Kultur, die offen bespricht, wo, welche Leistung am besten erbringbar ist, was es braucht, um gut zu arbeiten, und dass das individuell unterschiedlich aussehen kann. Denn genau dann kann in Teams darum gerungen werden, wie Unterstützung geht, wenn es gerade schwieriger ist, mitzubekommen, wer Hilfe braucht, wer welchen Beitrag leisten kann oder eben auch nicht. Ein weiterer Vorteil: Bei solch einem Vorgehen wird der Frust nicht nur auf die anderen oder die da oben geschoben, vielmehr gibt es die Möglichkeit, in Kontakt zu gehen und auch strittige Themen zu diskutieren. Vielleicht müssen wir lernen wieder mehr miteinander zu streiten, ganz im Sinne von Axel Hackes Kolumne hier oben.
 
Das ist komplexer als ein Einsparziel oder einheitliches „Back-to-office“, doch es schafft auch Raum für das – was gerade in Zeiten von KI – für viele besonders wichtig ist und letztlich alle nach vorne bringt: Ein Umgang mit der individuellen und kollektiven Angst. Im oben verlinkten Interview, wird Gerda Hagenauer gefragt, was eine Chefin oder ein Chef tun kann, um die Motivation der Mitarbeitenden zu steigern. Sie antwortet: „Ein guter Chef oder eine gute Chefin sorgt für einen Zusammenhalt im Team, denn gute Beziehungen am Arbeitsplatz motivieren wahnsinnig. Außerdem vermittelt er oder sie das Gefühl, die Fähigkeiten der einzelnen Kolleginnen und Kollegen zu kennen, und bietet Möglichkeiten zur Weiterentwicklung dieser Kompetenzen an.“ Das klingt nicht neu, wir sollten es allerdings auch nicht zu schnell aufgeben. Zudem wird Weiterentwicklung und Umlernen uns im Zeitalter von KI ja mehr beschäftigen denn je.

Solche Gespräche sind anstrengend und brauchen Zeit. Daher werden sie in der Effizienzdenke gestrichen. Allerdings zieht auch die Kienbaum Studie Performance Management 2024 ein ähnliches Fazit. Es ist die Kombination aus klaren Leistungserwartungen, guter Führung und einer wertschätzenden Unternehmenskultur, die langfristig produktive Arbeitsumfelder schafft. Ansonsten droht eine Entkopplung zwischen individueller Arbeit und Team und letztlich unternehmerischen Zielen. Erst wenn eine Arbeitsumgebung hergestellt wird, in der auch Unsicherheiten offen angesprochen werden können, in der sich Mitarbeitende und Führungskräfte sicher genug fühlen, um Leistungsmängel anzusprechen, ohne Angst vor negativen Konsequenzen zu haben, kann eine starke Leistungskultur entstehen. Denn Unternehmenskultur zeigt sich erst unter Druck, und nur wer auch dann seine Prinzipien verteidigt oder offen korrigiert, wer im Gespräch ist, baut eine vertrauensvolle, belastbare und leistungsfähige Kultur auf.

Was bei uns ansteht:

  • Die Supervisionsweiterbildung für Coaches beginnt am 27. November 2025. Das Ziel der nach DGSv-Richtlinien stattfindenden Weiterbildung ist es, die bereits vorhandenen Kompetenzen sowie das Wissen um Beratungskonzepte zu vertiefen und zu erweitern.
  • Die inscape Coaching-Ausbildung beginnt mit ihrem ersten Modul am 05. März 2026. Während der Ausbildung entwickeln die Teilnehmer:innen ihre Haltung als Coach und setzen sich mit den psychodynamischen Aspekten der Coaching-Arbeit auseinander.
  • Der inscape Kompakt-Workshop „Psychodynamik in der Führung. Verstehen, was bewegt und wirksamer führen“ findet vom 20.03. - 22.03.26 in Hamburg statt. Der Workshop mit starkem Praxisbezug zu den Kontexten der Teilnehmenden vermittelt ein Grundverständnis psychodynamischer Prozesse in Organisationen und Teams – und wie sich diese auf die eigene Rolle auswirken. 

Anmeldungen zu allen Veranstaltungen können jeweils bei Gabriele Beumer unter Gabriele.Beumer@inscape-international.de vorgenommen werden.

Das ganze Jahresprogramm von inscape finden Sie hier.

Damit verabschieden wir uns für die siebenundzwanzigste Ausgabe des Newsletters. Die nächste Ausgabe erscheint im Dezember.

Herzliche Grüße,
das inscape-Team

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