inscape - Zwischen den Zeiten Ausgabe 23

Newsletter Ausgabe 23

Liebe Freund:innen, Interessent:innen, Kund:innen von inscape,
es ist ein Konzept mit dem wir als psychodynamische Berater:innen zwar immer wieder arbeiten, welches jedoch selten im Mittelpunkt steht: das Boundary Management. Dabei wird das Gestalten und Einhalten von Grenzen immer relevanter, sowohl für Berater:innen, für Führungskräfte als auch in Organisationen. Denn nicht nur Hierarchien und Erwartungen an Führungskräfte haben sich in den vergangenen Jahren geändert, auch am Thema der Präsenz zeigt sich, was unter dem Begriff verhandelt wird.
 
Daher befassen wir uns im Schwerpunkt dieser Ausgabe genauer mit dem Thema des Boundary Management. In der Kategorie „Woran wir denken, woran wir arbeiten“ geht es zudem dieses Mal um das Thema von Macht und Female Leadership. Zum Schluss gibt es wie gewohnt die Ankündigungen zu den nächsten bei inscape anstehenden Terminen.

Boundary Management: Grenzen setzen, Grenzen einhalten

Auch wenn Boundary Management zuerst vor allem nach Vorsicht und Rücksichtnahme klingen mag, werden hier konkrete Themen von Rolle und Macht verhandelt. Andockend an die Rollentheorie, setzt sich das Boundary Management nicht nur damit auseinander, welche Rollen wann und wie eingenommen werden, sondern auch wo die Grenzziehungen verlaufen in Hinsicht auf Beziehungen, Zeit, Aufgaben oder Räume, in denen gearbeitet wird.

 

All das ist nochmal von gesteigerter Relevanz, nun da Home Office und Desk Sharing zur Normalität in vielen Organisationen gehören oder Machtfragen auch über Home Office Regelungen ausgehandelt werden. In der Organisationspsychologie wird anhand der Theorie des Boundary Managements zum Beispiel das Thema Home Office mit seinen potentiellen Durchmischungen von privaten und Arbeitsrollen genauer beleuchtet. So weicht die Trennung von Arbeitsort und Rückzugsort auf. Leicht vorstellen lässt sich der Fall des Elternteils, das im Home Office von seinem Kind unterbrochen wird. Welche Rolle wird nun eigenommen, die des Elternteils oder die des Angestellten der Organisation?


Oft wird die Frage in einem solchen Fall natürlich ganz praktisch beantwortet. Denn, was zuerst wie eine Störung wirken mag, kann in der Praxis schon lang eingespielte Routine sein, bei dem der Wechsel zwischen den Rollen fast automatisch verläuft. Genauso führt das Bemühen, „Silos“ in Organisationen aufzubrechen und das Umstrukturieren zu netzwerkartigen Organisationen, zu einem Auflösen von Bereichs- und Wirkungsgrenzen. Hierdurch müssen die Verantwortlichkeiten und Begrenzungen dann neu ausgehandelt werden. 
 
Auch die Duz-Kultur in vielen Organisationen erschwert in Teilen die Grenzziehung zwischen Team und Teamleitung, die eben doch eine Sonderrolle als Teil des Teams einnimmt. Andersherum suggeriert sie unter Umständen eine Einheit, die dann jedoch enttäuscht wird, sobald schwierige Entscheidungen zu treffen sind. Führungskräfte stehen beim Boundary Management im besonderen Fokus. Denn oft sind sie an der Rollenausarbeitung und der Grenzziehung in beiden Richtungen beteiligt. Sie müssen sich auch von fremden und eigenen Erwartungen und Projektionen gekonnt abgrenzen und mit entsprechenden Schuldgefühlen umgehen. Wie steht es zum Beispiel mit dem Thema permanenter Erreichbarkeit? Wo setzen Führungskräfte starke Grenzen und wo sind diese weniger klar?

Besonders relevant für psychodynamische Berater:innen
 

Aktuell geht es geht daher oft um das Markieren verlässlicher Grenzen und darum, eine gemeinsame Klarheit über den genauen Umgang mit Grenzen herzustellen – sowohl in Organisationen als auch in Veränderungsprojekten. In der Beratung sind wir als Berater:innen wiederum zuständig für die Einhaltung der eigenen Grenzen. Hier geht es vor allem um Zeitgrenzen, die Sicherung eines beratungsförderlichen Raums und die Arbeit an der gemeinsamen Aufgabe und Zielsetzung. Eine regelmäßig auftretende Herausforderung ist dabei zum Beispiel die Unpünktlichkeit der Klient:innen. Ist nicht auch die schon eine Grenzverletzung?

Was manche Berater:innen zudem an sich selbst beobachten können, ist eine oft eher vermeidende Haltung beim Thema des Grenzensetzens, gerade wenn die eigene Berater:innen-Biographie von einer Kultur des Non-Profit-Denkens oder aus einer sozialarbeiterischen Haltung geprägt ist. Hier gibt es oft eine Idealisierung von Beziehung, Emotion und Grenzerweiterung.
 
So ist bei den Menschen mit denen wir arbeiten, und vor allem auch bei uns, der Blick auf die eigenen Übertragungen besonders interessant: Was ist eigentlich der gelernte Umgang mit Grenzen? Wie steht es um die Entwicklung einer deutlicheren, professionellen Orientierung am Boundary Management anstelle einer zu starken Betonung des Containments? Wie sehr ist ein deutliches Grenzmanagement sogar Voraussetzung für die Entstehung von Neuem, von neuen Einsichten und Verhaltensweisen also? Fragen, die schon immer relevant waren, die jedoch in Zeiten, in den Grenzziehungen im persönlichen Umgang und aus den organisationalen Gegebenheiten heraus, immer fluider erscheinen, noch weiter an Wichtigkeit gewinnen werden.

Woran wir denken, woran wir arbeiten: Female Leadership und Macht

Ein Thema beim kürzlich stattgefunden Workshop zur „Psychodynamik in der Führung“, unter Leitung von Silke Facilides und Janette Wendt (siehe Foto), waren weibliche Besonderheiten von Führung. Den anwesenden Frauen schienen die Führungsrollen bei der Arbeit rückblickend eher zugefallen zu sein, nicht machtvoll errungene Führungspositionen. Der Eindruck könnte allerdings auch damit zusammenhängen, dass es, geprägt in Bezug auf weibliche Macht und weibliche Aggression, oft immer noch eine andere gesellschaftliche Beurteilung gibt.

Diese führt laut Rolf Haubl schneller zu Schuldgefühlen und damit zu einer Aggressionshemmung. Das zeigt sich auch exemplarisch im gesellschaftlichen Umgang mit dem Machtanspruch der ehemaligen Außenministerin Annalena Baerbock. Insgesamt ist Macht oft und vor allem aktuell nicht besonders positiv aufgeladen. Denn Macht verändert Menschen. Laut Carsten Schermulys „Die Psychologie der Macht“ steigert die Macht das Selbstbewusstsein, macht weniger empathisch, fördert Stereotypen und korrumpiert.
 
Sich bewusst zu machen, welches Bild man selbst von Macht erlernt hat und wie dies das eigene Führungshandeln prägt, ist entscheidend für den gekonnten Umgang mit Macht in der Führungsrolle. Sowohl die Idealisierung als auch die Dämonisierung von Macht führen dabei in die Passivität. Dabei ist es hilfreich, sich den narzisstischen Gewinn bewusst zu machen, ein unverkrampftes Verhältnis zu konstruktiver Aggression und ein Bewusstsein für Selbstkonfrontation zu entwickeln. Denn nur so kann die Macht auch als positive Gestaltungsmacht eingesetzt werden.

Was bei uns ansteht:
 

  • Der in der letzten Ausgabe erwähnte Workshop zu „Beratung und Setting – die Dynamik zwischen Menschen und Raum“ widmet sich am 15. und 16. August der Beratungsarbeit, auch anhand von praktischen Beispielen und gemeinsamen Reflektionen.
  • Die Supervisionsweiterbildung für Coaches beginnt in diesem Jahr am 18. September. Das Ziel der nach DGSv-Richtlinien stattfindenden Weiterbildung ist es, die bereits vorhandenen Kompetenzen sowie das Wissen um Beratungskonzepte zu vertiefen und zu erweitern. Auf diese Weise soll ein eigenes Profil als Supervisor:in entwickelt werden.
  • Die inscape Coaching-Ausbildung wiederum beginnt in diesem Jahr mit ihrem ersten Modul vom 23. bis 26. Oktober. Während der Ausbildung entwickeln die Teilnehmer:innen ihre Haltung als Coach und setzen sich mit den psychodynamischen Aspekten der Coaching-Arbeit auseinander.

Anmeldungen zu allen Veranstaltungen können jeweils bei Gabriele Beumer unter Gabriele.Beumer@inscape-international.de vorgenommen werden.

Das ganze Jahresprogramm von inscape finden Sie hier.

Damit verabschieden wir uns für die dreiundzwanzigste Ausgabe des Newsletters. Die nächste Ausgabe erscheint im August.

Herzliche Grüße,
das inscape-Team

 

 

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