
Liebe Freund:innen, Interessent:innen, Kund:innen von inscape,
es sind Worte, die längst in den Arbeitsalltag eingezogen sind: Home Office, Desk Sharing, aber auch Möglichkeitsräume und Kommunikationszonen. All das löst bei den meisten schnell Bilder und Gefühle aus – und doch arbeiten wir in der psychodynamischen Beratung eher selten mit der Gestaltung und Wirkung von Räumen, selbst wenn Winston Churchill einst sagte: „Erst formen wir die Räume, dann formen sie uns“.
Daher befassen wir uns im Schwerpunkt dieser Ausgabe aus zwei Perspektiven mit der Wechselbeziehung zwischen Raum und Psyche. In der Kategorie „Woran wir denken, woran wir arbeiten“ geht es zudem um die Frage welche Rolle konstruktive Konfliktbearbeitung und psychodynamische Beratung in den sich rapide verändernden gesellschaftlichen Rahmenbedingungen einnehmen können. Zum Schluss gibt es wie gewohnt die Ankündigungen zu den nächsten bei inscape anstehenden Terminen.
Räume und Territorialkonflikte
Eines ist klar: Es gibt ihn nicht, den perfekten Raum. Doch jeder Raum bringt ein Thema mit sich, verrät uns etwas über diejenigen, die ihn eingerichtet haben und diejenigen, die ihn benutzen, außerdem über die Zeiten, in denen wir leben und arbeiten. Jeder Raum will gefüllt und belebt werden.
Wer sich in Organisationen über die letzten Jahre und Jahrzehnte umgeschaut hat, der oder die hat bemerkt, wie sich Arbeitsräume generell verändert haben. So wie viele ins Home Office gezogen sind, so hat die Wohlfühl-Kultur des Zuhauses wiederum Einzug gehalten in den Büros. Auch hier gibt es nun Kreativecken, Kommunikationsinseln und geteilte Desks. Nicht selten wirken diese neue Meetinginseln allerdings seltsam verwaist. Die Einführung von Desk Sharing und damit auch das Einsparen von Bürofläche macht zweifelsohne Sinn in Zeiten von Home Office und weniger Präsenzarbeit. Doch gleichzeitig distanziert sich jeder Einzelne so unter Umständen noch ein Stück weiter vom organisationalen Geschehen und vom Team, wenn ihm oder ihr kein fester Platz mehr zusteht.
Wenn sich die Arbeitsräume ändern, dann kommen mit der Änderung auch unweigerlich die Fragen: Wer darf eigentlich das eigene Büro behalten? Wie viel des eigenen Territoriums im Büro dürfen wir überhaupt noch kontrollieren? Und: Wofür komme ich ins Büro, wenn ich meine Arbeit vielleicht auch anderswo machen könnte? Die seltsam deplatziert wirkenden Entspannungssessel - in einer sozialen Fotomatrix von vor ein paar Wochen zu modernen Arbeitswelten - sind da ein spannendes Bild. Denn auch sie zeigen, dass das Angebot allein, nicht die Lösung ist, um Mitarbeiter:innen zu motivieren.
Da Räume, vor allem solche, die wir nicht komplett selber gestalten können, auch etwas über uns und damit vermeintlich über unseren Stellenwert sagen, sich hier ungeklärte und unausgesprochene Konflikte zeigen, ist auf einmal die Frage im Raum: Wie steht es eigentlich um meinen Status, die Rolle und das Selbstverständnis – auch das der OPersönliches Raumerfahren
Allerdings betreten und analysieren wir in unserer Arbeit ja nicht nur Räume anderer, wir gestalten unsere eigenen Räume. Wir haben also eine Wirkung auf diejenigen, die zu uns kommen, um mit uns zu arbeiten, wir haben auch einen Einfluss auf den Beratungsprozess an sich. So stellte der Psychoanalytiker Rolf-Peter Warsitz einst fest: „Einen Raum zu erschaffen, in dem Denken und Fantasieren möglich ist, ist manchmal schon das wichtigste Therapeutikum.“ Schon alleine deshalb verdienen unsere Räume einiges an Aufmerksamkeit.
Dabei ist klar, dass Raumerfahren eines Menschen ist so persönlich wie jedes andere Erleben auch. Es ist biographisch geprägt, wird von der aktuellen Stimmung beeinflusst und begünstigt oder verhindert damit auch das Aufkommen von Affekten. Wir sollten bei der Gestaltung unserer Beratungsräume also nicht nur auf ergonomisch abgestimmte Sitz- und Schreibmöbel achten, sondern auch auf eine einladende Atmosphäre, auf gute Beleuchtung und positiv stimulierende Farbgestaltung. Mehr zur Wirkung von Räumen und Arbeitsplatzpositionen gibt es beim Workshop „Beratung und Setting – die Dynamik zwischen Mensch und Raum“. Dieser wird von von Ahuti Alice Müller und Andreas Brünen geleitet und findet am 15. und 16. August bei uns im Institut statt
Woran wir denken, woran wir arbeiten
Woran wir denken, woran wir arbeiten: Konstruktive Konflikte
Beim vergangenen Modul der Fortbildung zur generativen Organisations- und Kulturentwicklung, dessen Titel lautete „Neues entstehen lassen – Zukunftskraft Kreativität“, kam rasch eine Frage auf.
War das Kreativitätsinteresse der letzten Jahre zu sehr auf die individuelle Kreativität und den eigenen Ausdruck gerichtet, statt die gemeinsame schöpferische Kraft zu betonen? Eine legitime Frage angesichts der sich rapide verändernden gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Zumindest in Organisationen scheint es im Moment viel um Sicherheit, Abgrenzung und Stabilität zu gehen und weniger um die kreative Sinnsuche. Da lässt sich vielleicht auch die Frage stellen: Können und sollen wir uns den Purpose noch leisten? Wir sind der Überzeugung: Es braucht ihn sogar – um so mehr. Nur so lässt sich schließlich die Vorstellung von alternativen Zukünften entwickeln. Spannend daher auch was bei den konkreten Diskussionen in Hamburg passierte. Denn viele der von den Teilnehmer:innen entwickelten Purpose-Ansätze kreisten um Konflikte und Verhandlungen.
Es braucht konstruktive Formen von Konfliktbearbeitung. Denn gemeinsamer Mehrwert kann nur entstehen, wenn Menschen miteinander ins Gespräch gebracht werden. Konfliktäre Gespräche um der Harmonie willen zu vermeiden, das funktioniert nicht mehr. Es braucht vielleicht sogar mehr Lust an der Auseinandersetzung, eine andere Energie als „nur“ das Akzeptieren von Andersartigkeit oder Suchen von Gleichgesinnten. Ohne Erfahrungen von Unsicherheit geht es daher nicht. Erst hieraus wächst die Selbstsicherheit, die letztlich Führung ermöglicht. Das Wochenende hat uns also nochmal gezeigt: Genau hierfür gilt es sich einzusetzen, gerade wenn die Zeiten herausfordernd sind.
Die Rückeroberung gekonnter Aggression in der Beziehungsgestaltung
Generell wird es spannend, wie die psychodynamische Beratung mit dem unberechenbaren Wandel umgeht, der sich nicht nur im Gesellschaftlichen und Politischen zeigt, sondern eben auch in Organisationen. Denn diese Entwicklung wird konkrete Auswirkungen haben auf Coaching, Supervision und Organisationsberatung. Wir stehen in unserer Arbeit fest in der Tradition von psychodynamischer Beratung. Durch ihren Hintergrund haben psychodynamische Berater:innen und Führungskräfte weiterhin einen einzigartigen Zugang zu den unbewussten Schichten des Fühlens, Denkens und Handelns von Menschen in Organisationen.
Mit diesem Hintergrund haben wir also die Möglichkeit fruchtbare Dialoge in Organisationen nicht nur in Gang zu setzen, sondern sie auch zu begleiten. Daher ist eine wichtige Hypothese, wie wir als psychodynamische Berater:innen auf die aktuelle Situation reagieren können, dass es vor allem um eine stärkere Integration der Aggression geht – also um eine Rückeroberung konstruktiver, gekonnter Aggression in der Beziehungsgestaltung in Organisationen. Am 13. und 14. Juni geben wir im Workshop „Einführung in die psychodynamische Beratung“, den wir seit Jahren immer wieder anbieten, einen Einblick in die Theorie und Praxis der psychodynamischen Beratung.
Was bei uns ansteht:
- Im dem Workshop zur „Einführung in die psychodynamische Beratung“ werden nicht nur psychodynamisch inspirierte Methoden vermittelt, wir arbeiten auch mit dem praktischen Material der Teilnehmer:innen.
- Der oben erwähnte Workshop zu „Beratung und Setting – die Dynamik zwischen Mensch und Raum“ widmet sich am 15. und 16. August der Beratungsarbeit, auch anhand von praktischen Beispielen und gemeinsamen Reflektionen.
- Die Supervisionsweiterbildung für Coaches beginnt in diesem Jahr am 18. September. Das Ziel der nach DGSv-Richtlinien stattfindenden Weiterbildung ist es, die bereits vorhandenen Kompetenzen sowie das Wissen um Beratungskonzepte zu vertiefen und zu erweitern. Auf diese Weise soll ein eigenes Profil als Supervisor:in entwickelt werden.
Anmeldungen zu allen Veranstaltungen können jeweils bei Gabriele Beumer unter Gabriele.Beumer@inscape-international.de vorgenommen werden.
Das ganze Jahresprogramm von inscape finden Sie hier.
Damit verabschieden wir uns für die zweiundzwanzigste Ausgabe des Newsletters. Die nächste Ausgabe erscheint im Juni.
Herzliche Grüße,
das inscape-Teamrganisation - in diesen neuen Bürozusammenhängen?
All das lässt sich offensichtlich in der Beratungsarbeit nutzen. Doch Räume verraten noch viel mehr: Was sagen uns zum Beispiel die Farben, die Einrichtung, die Stellung der Schreibtische? Wo und wie steht zum Beispiel der Tisch der Führungskraft? Besonders spannend wird es bei der Aufteilung der Räume, denn die verrät uns auch etwas über die innere Struktur der Organisation. Was wir als Berater:innen also definitiv nicht tun sollten: Einfach hinweggehen über das, was wir vor uns haben.