
Liebe Freund:innen, Intessent:innen, Kund:innen von inscape,
zurzeit gewinnt Kulturentwicklung in Unternehmen nochmal an Relevanz, und das hat nicht nur mit den Nachwehen der Corona-Pandemie zu tun. Auch die anhaltende Digitalisierung und Automatisierung sowie der demografische Wandel führen zu einem Umdenken auf dem Arbeitsmarkt. Es sind eben nicht nur jüngere Mitarbeitende, die sich zunehmend eine größere Flexibilität wünschen, wenn es darum geht wann und wo sie arbeiten. Generell wird stärker auf Wohlbefinden und auf eine gute Balance zwischen Arbeit und Freizeit geachtet.
Die Fokussierung auf die Unternehmenskultur ist dabei kein Pflaster und Beschwichtigungsmittel, das zur Aufhebung der Widerstände eingesetzt werden sollte. Vielmehr geht es bei der Kulturarbeit um das Aufdecken, Verarbeiten und Inspirieren. Mehr zu unseren genauen Vorstellungen gibt es hier unten im Schwerpunkt. Darüber hinaus beschäftigen wir uns in der Kategorie „Woran wir denken, woran wir arbeiten“ mit Identitätssuchen. Zum Schluss finden Sie wieder die Ankündigungen zu den nächsten bei inscape anstehenden Terminen.
Organisationen als fortlaufende Dialoge
Organisationskulturentwicklung ist in unserem Verständnis ein fortlaufender Dialog, bestenfalls sogar ein generativer Dialog im Sinne von William Isaacs. Während die diagnostische Organisationsentwicklung üblicherweise in die problemzentrierte Diagnose und dann in die Planung und Durchführung geht, stellt das dialogische Vorgehen durch sein partizipatives, emergentes Verfahren eine Abkehr von dieser Herangehensweise dar.
Organisationen sind demnach keine abstrakten Systeme, in denen Teile allein aufgrund von rationalen Entscheidungen bewegt werden können. Vielmehr erschaffen sich Organisationen in laufenden Gesprächen und sozialen Interaktionen, welche emotional auch von Unsicherheit, Angst, Hoffnung, Inspiration und Stolz angetrieben werden. Führungskräfte sind oft machtlos beim Versuch, diese Entwicklungen mit rein rationalen Strategien zu steuern. Hervorragend herausgearbeitet hat dies Gervase Bushe in „The Dynamics of Generative Change“.
Demnach ist das Ziel der dialogischen Kulturentwicklung auch eine narrative Unterbrechung. Es geht darum, jene Geschichten, die in einer Organisation erzählt werden, zu hören und sie im Anschluss durch Gespräche neu zu erzählen. Erst das eröffnet weitere Verhaltensmöglichkeiten. Kulturentwicklung in dieser Form ist nicht logisch-kognitiv beherrschbar. Sie funktioniert nicht über ein Entweder-Oder, sondern enthält immer verschiedene Perspektiven. Die Dialoge in der Kulturentwicklung bieten Raum für Auseinandersetzung mit Herausforderungen und Vorhaben in einer Organisation, um diese in den Arbeitsalltag zu integrieren. Sie dienen auch dazu, Werte und Grundannahmen nicht nur zu proklamieren, sondern im Diskurs zu halten. Dadurch entsteht eine Unternehmenskultur, die ein Zugehörigkeitsgefühl vermittelt, Orientierung bietet und sich durch Wertschätzung auszeichnet. Eine stabile und resiliente Unternehmenskultur entsteht dann, wenn das Unternehmen sich als Kommunikationsgemeinschaft, als Erinnerungsgemeinschaft und als Erfahrungsgemeinschaft erleben kann und damit auch Mitarbeiter:innen bindet.
Transkulturelle Welt
Was diesen Prozess umso spannender macht, ist, dass Unternehmen zunehmend über mehr als eine Kultur verfügen. So kann in einigen Bereichen noch eine Struktur- oder Bürokratiekultur vorherrschen, deren Merkmal das Arbeiten nach klaren Regeln, Prozessen und Abläufen ist. In anderen Bereichen kann sich eine Projektkultur durchgesetzt haben, in der vor allem Prinzipien wirksam sind, die sich an das Modell agiler Organisationen anlehnen. Bis hin zu einer transaktionalen Kultur, die Prinzipien der Freiberuflichkeit verinnerlicht hat. Auch verschiedene Regionen bringen eigene Kulturen mit sich. Die Kulturen orientieren sich dabei unbewusst auch an der „Organization-in-the-mind“, also dem innerpsychischen Modell der Organisationsrealität, der inneren Landschaft, den inneren latenten (Vor-)Bildern. Im Idealfall existieren diese Kulturen nicht nebeneinander, vielmehr sind sie ineinander verwoben, sie bilden eine transkulturelle Welt.
Damit die Bereiche in Kontakt miteinander treten, eine solche transkulturelle Welt entsteht, braucht es das dialogische Verfahren der Kulturentwicklung. Denn wenn die Welten miteinander agieren, entstehen eigene Probleme. Gerade hier entfaltet sich die Wirkung der Kulturentwicklung, hier zeigt sich ihre Stärke. Sie ist eben nicht ein Lösungslieferant für Symptome, vielmehr wirkt der Prozess der Kulturentwicklung identitätsstiftend und macht das Erleben einer Zugehörigkeit möglich, in dem Kontakte und ein bewusster Umgang mit Unsicherheit ermöglicht werden. Dies ist dringend nötig in einer Arbeitswelt, die sich einerseits rapide verändert und in der zeitgleich ein klarer Wunsch nach Sicherheit und Zugehörigkeit existiert.
Woran wir denken, woran wir arbeiten: Identitätssuchen
Nachdem die Suche nach der eigenen Identität in den 1990iger Jahren immer mehr als Lebensaufgabe postuliert wurde, erlebt das Identitätskonzept mit der Purpose- und Kulturarbeit als Bindungselement gerade wieder einen Bedeutungszuwachs in Organisationen. Auch gesellschaftlich wird an der Identität geruckelt: Nach ihrem Bestseller „Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen, aber wissen sollten“ überträgt Alice Hasters in ihrem 2023 erschienenen Buch „Identitätskrise“ das Konzept der persönlichen Identitätskrise auf unser westliches Gesellschaftssystem.
Ihre zentrale These lautet dabei, dass die Geschichte von Wohlstand für alle wie auch Selbstverwirklichung für alle, die wir uns über uns selbst und über westliche Gesellschaften erzählen, so nicht in Gänze aufgeht. Demzufolge wurden Waren über die Zeit immer mehr zu Identität und Identität immer mehr zur Ware. Auch der Beruf wurde vermehrt zum Ausdruck einer inneren Bestimmung.
Doch wenn künstliche Intelligenz jetzt nicht nur gut rechnet, sondern auch kreativ sein kann und intellektuelle Aufgaben schafft, dann hat die westliche Welt unter Umständen keine gute Antwort auf die Frage: Was macht uns aus, wenn es nicht die eigene Arbeit ist? Oder anders gefragt: Wer sind wir, wenn unsere Arbeit nicht mehr gebraucht wird? Wer tiefer in die gesellschaftliche Dimension des Themas einsteigen will, dem empfehlen wir das Buch „Triggerpunkte. Konsens und Konflikt in der Gegenwartsgesellschaft“ von Steffen Mau, Thomas Lux und Linus Westheuer. Die Autoren steigen anhand von vier Arenen der Ungleichheitskonflikte tiefer ein und beleuchten so die Identitätsbildung in der Gesellschaft über die Diskurse, die in ihr geführt werden.
Was bei uns im Institut ansteht:
- Vom 27. bis 31. Mai gibt es die zweite inscape experience des Jahres 2024 und zwar in Traunstein. Mehr zum Konzept der inscape experience, war in Ausgabe 7 des Newsletters zu lesen.
- Am 5. und 6. Juli findet der Workshop „Einführung in die psychodynamische Beratung“ statt. Durch kurze Theorieinputs und die Arbeit mit dem praktischen Material der Teilnehmer:innen werden psychodynamisch inspirierte Methoden vermittelt.
- Die Supervisionsweiterbildung für Coaches beginnt am 5. September. Das Ziel der nach DGSv-Richtlinien stattfindenden Weiterbildung ist es, die bereits vorhandenen Kompetenzen sowie das Wissen um Beratungskonzepte zu vertiefen und zu erweitern. Auf diese Weise soll ein eigenes Profil als Supervisor:in entwickelt werden.
Anmeldungen zu allen drei Veranstaltungen können jeweils bei Gabriele Beumer unter Gabriele.Beumer@inscape-international.de vorgenommen werden.
Das ganze Jahresprogramm von inscape finden Sie hier.
Damit verabschieden wir uns für die elfte Ausgabe des Newsletters. Die nächste Ausgabe erscheint im April.
Herzliche Grüße,
das inscape-Team